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Südkorea ist ein Land des Kaffees. In den vergangenen fünf Jahren hat sich laut „Coffee Expo Seoul“ die koreanische Kaffeeindustrie verdoppelt. Sowohl der Import als auch der Konsum von Kaffee ist so rasant gewachsen, dass Korea inzwischen der elftgrößte Markt für Kaffee ist. Dass die Koreaner zu begeisterten Kaffee-Konsumenten zählen, zeigt sich auch an den über 12.300 Cafés, die es in Korea gibt. Das Bedürfnis nach dem schwarzen Wachmacher, der im stressigen, langen Studien- und Arbeitsalltag auf der Halbinsel Überlebenselixier zu sein scheint, ist inzwischen größer als nach dem traditionellen Kimchi. In einer Statistik aus dem Jahr 2014, die den wöchentlichen Nahrungsmittelkonsum der Südkoreaner untersuchte, wurde angegeben, dass Koreaner in einer Woche durchschnittlich 12,2 Tassen Kaffee trinken. Kimchi dagegen essen sie nur 11,9 Mal pro Woche [1].
Neben den großen Kaffeehausketten in Korea sind vor allem Besuche in den kleinen Ein-Mann-Betrieben ein Erlebnis für sich. Die individuell eingerichteten Cafés mit liebevoll zubereiteten Getränken sind zu jeder Tages- und Nachtzeit ein beliebter Ort, um Freunde zu treffen, zu lernen oder sich im koreanischen Alltagstrubel eine kurze Auszeit zu gönnen. Eines dieser Cafés trägt den Namen „Mouse Rabbit“ und wird von dem 29-jährigen Jongjin Kim betrieben. Ich treffe ihn an einem regnerischen Freitag in seinem zweiten Café „Mouse Rabbit Underground“. Bei einer großen Tasse Café Latte berichtet er, wann und warum er sich entschlossen hat, ein Café aufzumachen. „Ich habe das Café „Mouse Rabbit“ am 11. November 2012 eröffnet. Davor betrieben meine Eltern ein kleines Restaurant in Hongdae“, erzählt der junge Unternehmer. Dabei seien sie allerdings mit vielen Problemen konfrontiert gewesen, sodass er gemeinsam mit seinem älteren Bruder über eine Alternative nachdachte. Den Wunsch, ein eigenes Café zu betreiben, hegte Jongjin Kim bereits, seitdem er die Kunst des Kaffeebrauens lernte. Daran fand er so großen Gefallen, dass er sich schließlich zur Eröffnung eines Cafés entschloss.
Seit mehr als drei Jahren leitet Jongjin Kim das Café „Mouse Rabbit“ nun. Das zweistöckige Gebäude befindet sich in der Nähe der Konkuk-Universität, in einem Bezirk, der sich in letzter Zeit zu einem angesagten Ausgehviertel entwickelt hat. Einzigartig sind die verschiedenen Designkonzepte, die Jongjin Kim in diesem Café umgesetzt hat. Das Untergeschoss ist wie eine Höhle gestaltet, das Erdgeschoss und der erste Stock gleichen einer Terrasse. Das rühre daher, dass er, während er das Konzept für das Café festlegte, auf keinen Fall eine seiner Ideen aufgeben wollte, meint Jongjin Kim, und daher einfach jeden einzelnen Gedanken umgesetzt habe.
Seit Oktober 2015 leitet er noch ein zweites Café, das „Mouse Rabbit Underground“ in der Nähe des Palastes Gyeongbok-gung. Durch einen grauen Hauseingang, der zwischen den beiden Nachbargebäuden regelrecht eingequetscht zu sein scheint, geht man eine Treppe hinab und gelangt in dieses wesentlich kleinere Café, in dem auch verschiedene Speisen verkauft werden.
Bis zur Eröffnung seiner Läden war es für Jongjin Kim ein langer Weg. Zunächst musste er die Kunst der Kaffeezubereitung lernen: Er benötigte eine Ausbildung als Barista. Nach einem dreimonatigen Kurs erwarb er ein entsprechendes Zertifikat. „Außerdem habe ich über einen Zeitraum von einem Jahr in vielen verschiedenen Cafés gearbeitet. Dann betrieb ich die Filiale einer Caféhauskette auf Yeuido, und das circa eineinhalb Jahre. Während dieser eineinhalb Jahre bereitete ich die Eröffnung meines eigenen Cafés vor“, erzählt der junge Barista im Rückblick.
Dazu reiste er sogar ins Ausland, um nach geeigneten Kaffeesorten zu suchen, und nahm in Japan an einer Fortbildungsreise teil, die dem Thema Kaffee gewidmet war. Seine Vorbereitungen zahlen sich aus, denn seine „Mouse Rabbit“-Cafés sind unter Ausländern wie Koreanern beliebt und gut besucht. Die „Mouse Rabbit“-Facebookseite hat weit über 73.000 „Gefällt mir“-Angaben und sogar einen eigenen Fanclub. Aber was ist es, das Jongjin Kim an seiner Arbeit als Barista fasziniert? „Ich sage ungern von mir selbst, dass ich Barista bin. Dazu bin ich noch nicht gut genug“, antwortet er beinahe ein wenig verlegen. Aber schon von klein auf faszinierte es ihn, aus quasi nichts etwas herzustellen. Er mag es, kreativ zu sein, und Kreativität ist schließlich auch für die Arbeit eines Baristas nötig. Als Beispiel fügt er hinzu, dass ein Kaffee zwar immer den gleichen Namen wie „Americano“ oder „Café Latte“ trägt. Aber je nachdem, welche Kaffeebohnen man wählt und welche Methode des Röstens und Filterns angewendet wird, variiert der Geschmack jedes Mal ein bisschen. Jongjin Kim macht es Spaß, dass er als Barista das alles selbst in der Hand hat.
Es gibt noch etwas, was „Mouse Rabbit“ von anderen Cafés und Jongjin Kim von anderen Barista unterscheidet: Es ist die Tatsache, dass er einen älteren Bruder hat. Was der Bruder damit zu tun hat? Zunächst einmal wäre da der Name „Mouse Rabbit“, der sich aus den Tierkreiszeichen – Maus und Hase – der beiden Brüder zusammensetzt. Darüber hinaus ist der Bruder mit dem Namen Jong-woon Kim ein koreanischer Superstar. Auch bekannt unter seinem Künstlernamen Yesung ist er Mitglied von „Super Junior“, einer der berühmtesten K-Pop-Gruppen in Südkorea. Natürlich kommen so auch viele Fans in das Café, um ihrem Idol näherzukommen. Zunächst seien sie sehr schüchtern und erstaunt, wenn sie ihn, den Bruder ihres Idols, zum ersten Mal sehen, aber zwischen einigen Gästen, die regelmäßig kommen, herrsche eine freundschaftliche Atmosphäre. „Ich freue mich immer, wenn Leute wiederkommen“, versichert Jongjin Kim.
Da K-Pop und somit auch Yesung mittlerweile weltweit erfolgreich sind, lassen sich im „Mouse Rabbit“ immer auch einige Ausländer antreffen. Besonders aus Japan, China, Indonesien und Europa kämen sie, meint Jongjin Kim. Mittlerweile hat er anlässlich der vielen japanischen Fans eine kleine „Mouse Rabbit Tour“ durch Japan gemacht, wobei er seinen Kaffee und Fanartikel in sogenannten „pop-up stores“ verkaufte. Dass die Berühmtheit seines Bruders solch enorme Auswirkungen auf den Betrieb von Jongjin Kim hat, ist kein Wunder. Der 32-jährige Jong-woon Kim alias Yesung debütierte im November 2005 als eines von 12 Mitgliedern der Band Super Junior. Als sie 2009 mit der Single „Sorry, Sorry“ einen Megahit landeten, wurden die Mitglieder der Gruppe auch außerhalb von Korea zu gefeierten Stars. Super Junior war vier Jahre in Folge die K-Pop-Band mit den meisten Plattenverkäufen. Zu ihren zahlreichen Preisen gehören unter anderem 13 Mnet Asian Music Awards und zwei Auszeichnungen bei den Teen Choice Awards 2015. Im April 2016 machte Yesung sein Solodebüt mit dem Album „Here I am“ und ging anschließend in Japan auf Konzert-Tour. Neben seiner Tätigkeit als Sänger war und ist er auch Schauspieler und Moderator. Aus diesem Grund, sagt Jongjin Kim, kommen natürlich viele Fans, um bei ihm, dem Bruder ihres Idols, einen Kaffee zu trinken.
©Text & Fotos: Bettina Dirauf
Erschienen 11.10.2016; Magazin “Kultur Korea”
K-Pop Idol Yesung (links) mit seinem Bruder Jongjin Kim im April 2019.
Bildquelle: https://twitter.com/shfly3424/status/1116274326007730177?s=20