Erster deutscher Staatsbesuch in Korea

Am Nachmittag des 8. Juni 1899 um drei Uhr kam das Flaggschiff Deutschland des deutschen Ostasiatischen Kreuzergeschwaders vor Incheon in Sicht und warf gegen vier Uhr den Anker. Damit begann der wohl erste und einzige Besuch eines ausländischen Staatsgastes im koreanischen Kaiserreich. Der Besucher war der 37-jährige Prinz Heinrich von Preußen, der Bruder des damaligen deutschen Kaisers Wilhelm II. Dieser Staatsbesuch sollte von koreanischer Seite aus die nationale Unabhängigkeit betonen. Dieser, mit erheblichem Aufwand vorbereitete, Besuch fand jedoch weder in Deutschland noch in Korea besondere politische oder mediale Aufmerksamkeit.

Prinz Heinrich hatte sich im September 1897 als Kommandant der zweiten Kreuzerdivision mit drei Kriegsschiffen auf die Reise nach Asien gemacht. Die Flotte sollte die bereits in Ostasien stationierten Schiffe unterstützen. Kurz vor seiner Ankunft besetzten die Deutschen im November 1897 die Bucht von Kiautschou in China. Dieses Gebiet wurde unter politischem Druck von Deutschland für 99 Jahre von China gepachtet. Während seines Aufenthaltes in Asien traf Prinz Heinrich an Weihnachten 1898 in Hongkong seine Frau, Prinzessin Irene, die zusammen mit ihm bis Ende April des folgenden Jahres verschiedene Reisen unter anderem nach Bangkok und nach China unternahm. Kurz nach der Abreise seiner Frau brach Prinz Heinrich zu seinem Besuch nach Korea auf.

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_134-B2327,_Tsingtau,_Prinz_Heinrich_im_Milit%C3%A4rlager_von_Litsun.jpg 
Lizenz: Dieses Bild ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland“ lizenziert
Prinz Heinrich von Preußen mit Gattin in einem Militärlager im Schutzgebiet Kiautschou in China einige Wochen vor seiner Reise nach Korea.
Quelle: Bundesarchiv, Bild 134-B2327 / CC-BY-SA 3.0

Nach seiner Ankunft in Incheon ging Prinz Heinrich am nächsten Morgen an Land, wo er durch ein Bataillon der Infanterie und einem Salut von 21 Schuss begrüßt wurde. Wegen des starken Regens wurden ihm das koreanische Empfangskomitee – alles Verwandte des Kaiserlichen Hauses – im Schutze eines Zeltes vorgestellt. Anschließend ging es mit Pferden in Richtung der Hauptstadt.
Um 12 Uhr hatte die Reisegruppe bei mittlerweile sonnigem Wetter etwa den halben Weg zur Hauptstadt zurückgelegt. In einem Ort, dem heutigen Bucheon, war von der koreanischen Regierung ein reichhaltiges Mittagessen vorbereitet worden. Nach etwa einer Stunde brachen die Besucher erneut auf, um den Weg Richtung Seoul fortzusetzen. Nach einiger Zeit erreichte die Gruppe den Fluss Han, wo bereits zwei große zusammengebundene koreanische Boote auf Prinz Heinrich warteten. Nach der Fluss-Überfahrt wurde der Prinz von einem weiteren Bataillon der Infanterie beim heutigen Stadtteil Mapo begrüßt. Weiter ging es per Pferd zum Namdaemun. Hier vor dem großen Südtor war ein Zelt aufgestellt worden, in dem der hohe Besuch aus Deutschland durch eine große koreanische Staatsdelegation begrüßt wurde. Nach einem kurzen Empfang ritt Prinz Heinrich um vier Uhr nachmittags zusammen mit sechs Offizieren, 25 marschierenden Seesoldaten und einer zwölfköpfigen Militärkapelle in die Stadt Seoul ein. Die tausende Koreaner, die sich für den Empfang entlang der Straßen und auf den Dächern der Häuser versammelt hatten, waren allerdings sehr enttäuscht: Der Prinz aus dem unbekannten, fernen Deutschen Reich hob sich weder durch besondere Kleidung noch durch einen besonderen Tragestuhl hervor. Er kam auf einem Pferd daher und trug die gleiche Uniform wie seine Begleiter.

Hafenansicht von Incheon.
Quelle: Louis Bauer (ca. 1899 – 1903). Familiensammlung Prof. Andreas Pistorius. Bearbeitet durch Michael Dirauf.

Prinz Heinrich wohnte in Seoul in einem extra für ihn mit europäischem Komfort eingerichteten Gebäude, während seine Offiziere und Soldaten im deutschen Konsulat untergebracht wurden. Mit einem gelben Tragestuhl begab sich Prinz Heinrich gegen sechs Uhr zum König[1]. Die Farbe Gelb war damals nach chinesischer Tradition dem Kaiser vorbehalten. Aus diesem Grund empfing der koreanische König ihn in einem gelbseidenen Überkleid zusammen mit seinem Kronprinz in der Empfangshalle des Palastes Gyeongungung (heute Deoksugung). Nach der Vorstellung unterhielt sich der König mit Unterstützung seines Dolmetschers, dem Vize-Präsident des Auswärtigen Amts, etwa 15 Minuten mit Prinz Heinrich in englischer Sprache, um anschließend mit ihm zu speisen.

Das Inhwamun war eigentlich das Haupttor des Deoksugung.
Während sich die Straßen im Umkreis vermehrten, verlor es seine Funktion und brannte 1905 nieder.
Quelle: Louis Bauer (ca. 1899 – 1903). Familiensammlung Prof. Andreas Pistorius. Bearbeitet durch Michael Dirauf.

Am nächsten Morgen besichtigte Prinz Heinrich während eines Ausrittes die alten Paläste Gyeongbokgung und Changdeokgung und die daran anschließenden Gartenanlagen. Während des restlichen Tages wechselten sich diverse Besuche und Gegenbesuche bei Prinz Heinrich ab. Dabei kamen auch die deutsche Militärkapelle und die begleitenden Seesoldaten zum Einsatz. Am Abend traf man sich zum Essen beim Koreanischen Kronprinzen, wobei während des Essens koreanische Tänzerinnen und Sängerinnen die Gäste mit traditionellen Tänzen und Gesang unterhielten.

Eine große Parade anlässlich des Staatsbesuchs fand am Vormittag des 11. Juni statt, wobei zwei Bataillone mit fast tausend Soldaten an Prinz Heinrich und dem König vorbeimarschierten. Nach dem Mittagessen besuchte Prinz Heinrich das Atelier des amerikanischen Malers Hubert Vos, der zur selben Zeit in Seoul weilte. Der ursprünglich aus den Niederlanden stammende Maler reiste zu dieser Zeit durch Asien, und fertigte unter anderem Portraits des koreanischen Königs an.

Anschließend besichtigte Prinz Heinrich die deutsche Schule in Seoul unter Leitung des deutschen Lehrers Johann Bolljahn. Diese Sprachschule war im September 1898 von der koreanischen Regierung eröffnet worden. Durch den Unterricht sollten Koreaner zu Dolmetschern ausgebildet werden. Der Unterricht wurde als Anschauungsunterricht abgehalten, da Bolljahn fast kein Wort Koreanisch sprach.

Schüler und Lehrer zusammen mit dem Lehrer Johannes Bolljahn vor der deutschen Schule in Seoul.
Quelle: Louis Bauer (ca. 1899 – 1903). Familiensammlung Prof. Andreas Pistorius.
Bearbeitet durch Michael Dirauf.
Schüler und Lehrer zusammen mit dem Lehrer Johannes Bolljahn vor der deutschen Schule in Seoul.
Quelle: Louis Bauer (ca. 1899 – 1903). Familiensammlung Prof. Andreas Pistorius. Bearbeitet durch Michael Dirauf.

Am nächsten Tag reiste Prinz Heinrich zusammen mit dem Vertreter der Hamburger Firma Eduard Meyer & Co. Carl Wolter in das 130 km entfernte “Tankogä”. Dort besuchte er die deutsche Goldmine, die allerdings bereits vier Jahre später wegen Unrentabilität geschlossen wurde. Hierzu hatte der koreanische König nicht nur die Wege und Übernachtungsmöglichkeiten herrichten, sondern auch eine Telegraphenleitung verlegen lassen. Nach einem eintägigen Aufenthalt bei dem Bergingenieur Louis Bauer ritt die Gruppe wieder in die Hauptstadt Seoul zurück, die sie am Nachmittag des 18. Juni 1899 erreichten.

Während des Abschiedsbesuchs beim König erhielten der Prinz sowie seine Begleiter wertvolle Geschenke. Während Prinz Heinrich unter anderem zwei Leopardenfelle geschenkt bekam, mussten seine Offiziere abhängig vom Rang mit Tiger- und Schaffellen vorlieb nehmen. Die einfachen Soldaten und die Musiker der Militärkapelle bekamen als Geschenk mehrere Rund- und Faltfächer. Am Abend wurde ein letztes Abendessen für den Prinzen beim deutschen Konsul Reinsdorf veranstaltet.

Talansicht von Tangkogä um 1900.
Quelle: Louis Bauer. Familiensammlung Prof. Andreas Pistorius. Bearbeitet durch Michael Dirauf.
Künstlich angelegt Waschrinne für die Goldsuche in Korea.
Koreaner trennen mittels Waschschüsseln das Gold vom Schlamm.
Quelle: Louis Bauer. Familiensammlung Prof. Andreas Pistorius. Bearbeitet durch Michael Dirauf.

Am Morgen des 19. Juni trat die deutsche Delegation die Rückreise nach Incheon an, wo sich Prinz Heinrich am Nachmittag um vier Uhr wieder auf dem Flaggschiff Deutschland einschiffte. Am Abend weilte er auf Einladung des Hamburger Firmenvertreters Carl Wolter bei einem Abendessen, an dem alle deutschen Bürger aus der Stadt Incheon teilnahmen. Nach dem Konzert der Schiffskapelle verabschiedeten sich der Prinz und seine Begleiter von dem Gastgeber. Am folgenden Morgen segelte die Deutschland aus dem Hafen von Incheon und brachte den deutschen Prinzen zurück nach Tsingtau.

Was waren die Ergebnisse dieses deutschen Staatsbesuches in Korea?

Ein besonders negatives Medienecho fand die Reise in Japan. Dort war die Presse „böse auf Deutschland“. Man vermutete, dass es Deutschland auf Konzessionen abgesehen hatte, zum Beispiel auf die Eisenbahnstrecke von Seoul nach Wonsan. In einem entsprechenden Zeitungsartikel folgten „einige Worte dringender Warnung für Deutschland“. Japan erinnerte daran, dass Korea im Machtgebiet Japans liege, und dass „Japans Absicht die Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit Koreas ist“.
Prinz Heinrich verfasste nach der Reise einen zehnseitigen Bericht, worin er vor allem auf die militärische Lage und die Infrastruktur des Landes einging. Im letzten Satz fasste er die Erkenntnisse seiner Koreareise zusammen und verwies auf „die Anhäufung so vieler fremder, militärischer und staatlicher Machtmittel in Korea“, die nichts Gutes für den „Fortbestand der koreanischen Unabhängigkeit“ bedeuten.

Der Staatsbesuch in Korea, der eher durch ein touristisches Besuchsprogramm als politische Gespräche gekennzeichnet war, reihte sich in eine ganze Reihe vorwiegend unpolitischer Besuche von Prinz Heinrich auf seiner Asienreise ein.

In Auszügen veröffentlicht in Kultur Korea am 28.03.2018.

[1] 1897 ließ sich König Gojong zum Kaiser Gwangmu von Groß-Korea ausrufen. In den zeitgenössischen deutschsprachigen Medien und Schriftverkehr wurde er jedoch weiterhin als König bezeichnet, was hier beibehalten wurde.

Quellen:
Der Ostasiatische Lloyd [deutschsprachige Zeitung herausgegeben in Shanghai, China], diverse Ausgaben von 1898 bis 1900. Universitätsbibliothek der Universität der Bundeswehr München.
Jung, Sang-Su, Korea National Open University, Research Professor of Integrated Humanities Center: Der Besuch von Prinz Heinrich von Preußen im Jahr 1899 und Bemühungen des Kaisers Gojong um die Ehre des Koreanischen Kaiserreichs. [Koreanisch] https://jmagazine.joins.com/monthly/view/280661
Michael Dirauf: Goldrausch in Korea. Die deutsche Goldmine in Korea von 1897 bis 1903. Iudicium-Verlag, München 2015.
Politisches Archiv des Auswärtiges Amt (PA AA), diverser Schriftverkehr zu Korea von 1898 bis 1900.
Landesarchiv Schleswig-Holstein-Abt. 395 Nr. 9 II: Acta des persönlichen Adjutanten Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Heinrich von Preußen betr. Korea. Politisches, Besuche, Handel, Verkehr. Vom Dezember 1897.